Head of Judiciary
Gholamhossein Mohseni Ejei
c/o Embassy of Iran to the European Union
Avenue Franklin Roosevelt 15
1050 Brüssel, BELGIEN

Dear Mr Gholamhossein Mohseni Ejei,

Lesbian, gay, bisexual, transgender and intersex (LGBTI*) rights defender Zahra Sedighi-Hamadani, 31, known as Sareh, and another woman, Elham Choubdar, 24, were sentenced to death after the Revolutionary Court in Urumieh, West Azerbaijan province, tried them in early August 2022 and subsequently convicted them of «corruption on earth.» Official statements, state media reports, and statements made by prosecution officials to Zahra Sedighi-Hamadani since her arrest in October 2021 indicate that she was targeted for discriminatory reasons tied to her real or perceived sexual orientation and/or gender identity, as well as her peaceful LGBTI* rights activism, including on social media, and her association with LGBTI* asylum seekers in Iraq. On 18 July 2022, state media affiliated with the Revolutionary Guards aired a homophobic video portraying Zahra Sedighi-Hamadani as a «criminal» for publishing online content which «promoted homosexuality» and «challenged the stigma around religiously forbidden [namashrou] sexual relations». The propaganda video linked Zahra Sedighi-Hamadani’s peaceful online LGBTI* rights activism to unfounded accusations of «gambling» and «smuggling women and girls from Iran to Erbil [Iraq]» in a bid to vilify her. Court documents and other information reviewed by Amnesty International indicate that Elham Choubdar was similarly targeted for discriminatory reasons related to her real or perceived sexual orientation and/or gender identity, LGBTI* supportive activities on social media, and association with Zahra Sedighi-Hamadani.

The proceedings leading to the women’s convictions and sentences were grossly unfair. Zahra Sedighi-Hamadani was forcibly disappeared for 53 days following arrest. During this time, she was subjected to abusive interrogations without access to a lawyer, prolonged solitary confinement, homophobic insults, death threats and threats to take away the custody of her children, which violate fair trial rights and the absolute prohibition on torture and other ill-treatment. Amnesty International understands that Elham Choubdar was pressured to make «confessions». Moreover, the offence of «corruption on earth» fails to meet requirements for clarity and precision needed in criminal law and breaches the principle of legality and legal certainty. Officials told the two women of their sentences on 1 September 2022 in Urumieh prison, where both are held. Their cases have been appealed to the Supreme Court.

I ask you to immediately quash the convictions and death sentences of Zahra Sedighi-Hamadani and Elham Choubdar, and immediately release both as they are targeted based on discriminatory reasons related to their real or perceived sexual orientation and/or gender identity and peaceful activities in defence of the human rights of LGBTI* people. Pending their release, ensure they are given regular access to lawyers of their choosing and family. I further urge the Iranian authorities to establish an official moratorium on executions with a view to abolishing the death penalty, decriminalize consensual same-sex sexual conduct, and adopt legislation to protect LGBTI* people from discrimination, violence and other human rights violations.

Yours sincerely,

Hintergrund

Die Menschenrechtsorganisation HENGAW berichtete am 4. September 2022, dass Zahra Sedighi-Hamadani und Elham Choubdar zum Tode verurteilt wurden. Nach einem breiten Medienecho bestätigte die iranische Justiz die Nachricht am 5. September 2022 und gab bekannt, dass Zahra Sedighi-Hamadani und Elham Choubdar im Zusammenhang mit dem „Schmuggel von Frauen und Mädchen“ zum Tode verurteilt wurden. 

Am 6. November 2021 behauptete der Nachrichtendienst der Revolutionsgarden, er habe: „durch eine komplexe, vielschichtige und exterritoriale Geheimdienstoperation Anführer eines Netzwerks gefasst, das am Schmuggel iranischer Mädchen und Frauen in Nachbarländer zum Zwecke der Korruption, der Leitung und Unterstützung homosexueller Gruppen beteiligt war.“ Der Nachrichtendienst beschuldigte in diesem Zusammenhang ebenfalls ausländische Geheimdienste. 

Einordnung

Amnesty International sieht die Vorwürfe des Schmuggels als fadenscheinig und unbegründet an. Die tatsächliche oder vermeintliche sexuelle Orientierung und/oder Geschlechtsidentität der Frauen und Zahra Sedighi-Hamadani sowie ihr Engagement für LGBTI* ordnet Amnesty jedoch in einen direkten Zusammenhang mit der Verurteilung ein.

Die iranischen Revolutionsgarden verhafteten Zahra Sedighi-Hamadani Ende 2021 willkürlich in der Nähe der iranischen Grenze, als sie versuchte, in der Türkei internationalen Schutz zu suchen. Elham Choubdar wurde einige Zeit später verhaftet. Die Behörden klagten beide Frauen wegen „Anstiftung zu Korruption und Prostitution“ und „Verbreitung von Korruption auf der Erde“ (efsad-e fel arz) an. Gegen Zahra Sedighi-Hamadani wurde ausserdem Anklage wegen „illegaler Einreise in das Land“ erhoben. Nach iranischem Strafrecht wurden die Anklagepunkte „Anstiftung zur Korruption und Prostitution“ und „illegale Einreise“ zur Verhandlung an die Abteilung 111 des Strafgerichts 2 in Urumieh und der Anklagepunkt „Korruption auf Erden“ an das Revolutionsgericht in Urumieh verwiesen. Im Juli 2022 verurteilte das Strafgericht Zahra Sedighi-Hamadani wegen „illegaler Einreise“ und verhängte eine Geldstrafe.

Im Urteil liess das Gericht die Anklage wegen „Anstiftung zur Korruption und Prostitution“ fallen. Es begründete dies damit, dass die beiden Frauen bzgl. dieser Aktivitäten bereits vor dem Revolutionsgericht in Urumieh wegen „Korruption auf Erden“ angeklagt seien und dies daher nicht in die Zuständigkeit des Strafgerichts 2 fielen. 

Mitte Januar 2022 teilte der leitende Ermittler der Abteilung 6 der Revolutions- und Staatsanwaltschaft in Urumieh, Zahra Sedighi-Hamadani, mit, dass sie beschuldigt werde, „Korruption auf Erden“ zu verbreiten, unter anderem durch „Förderung der Homosexualität“, „Kommunikation mit islamfeindlichen Medienkanälen“ und „Förderung des Christentums“. 

Die ersten beiden Vorwürfe gehen auf ihr öffentliches Engagement für Rechte von LGBTI* zurück. Die letzte Beschuldigung bezieht sich nach Informationen von Amnesty International auf den Besuch einer Kirche und das Tragen einer Kette mit Kreuzanhänger vor einigen Jahren.

Recherchen von Amnesty International zeigen immer wieder, dass die Revolutionsgerichte nicht unabhängig sind. Sicherheits- und Geheimdienste üben immer wieder direkten Einfluss auf die Gerichte aus. Nach äusserst unfairen und überwiegend geheimen Verfahren, die das Recht auf ein faires Verfahren missachten, werden äusserst harte Urteile gegen Menschenrechtsverteidiger:innen verhängt. Menschenrechtsverteidiger:innen und Anwält:innen im Iran haben wiederholt darauf hingewiesen, dass den Revolutionsgerichten die verfassungsmässige Grundlage fehlt und sie abgeschafft werden sollten. 

Amnesty International hat auch schon früher die Kriminalisierung von Menschenrechtsverteidiger:innen durch die iranischen Behörden dokumentiert. Mit Verleumdungskampagnen gegen Menschenrechtsverteidiger:innen wird insbesondere im Internet immer wieder versucht, deren Arbeit zu untergraben.

Zitat aus dem Video: 

Bevor sie sich auf den gefährlichen Abschnitt ihrer Reise über die iranisch-türkische Grenze begab, nahm Zahra Sedighi-Hamadani eine Videobotschaft auf und bat eine vertrauenswürdige Kontaktperson, sie zu veröffentlichen, falls sie es nicht sicher in die Türkei schaffen würde. Dieses Video wurde am 7. Dezember 2021 vom „Iranian Lesbian and Transgender Network“ (6Rang) publiziert.

„Ich möchte, dass ihr wisst, wie viel Druck wir LGBT* aushalten. Wir riskieren unser Leben für unsere Gefühle, aber wir werden unser wahres Selbst finden! … Ich hoffe, dass der Tag kommen wird, an dem wir alle in unserem Land in Freiheit leben können … Ich bin jetzt auf dem Weg in die Freiheit. Ich hoffe, dass ich sicher ankommen werde. Wenn ich es schaffe, werde ich mich weiterhin für LGBTI* einsetzen. Ich werde hinter ihnen stehen und meine Stimme erheben. Wenn ich es nicht schaffe, werde ich mein Leben für diese Sache gegeben haben“.